Vorwort
Ladies and Gentlemen,
nun ist es endlich wieder so weit! Eine neue Buchrezension steht an und diesmal frage ich mich wirklich, warum zum Teufel es so lange gedauert hat. Warum hat es so verdammt lange gedauert, bis ich dieses Meisterwerk der Fantasyliteratur in meinen Händen halten durfte? Aber beginnen wir lieber am Anfang! Das Buch, über welches wir heute sprechen, ist ein doch sehr mittelalterlich gefärbter Fantasy-Roman mit vielen humoristischen und skurrilen Wendungen; Ladies and Gentlemen, ich begrüße Sie zur Rezension von „Von Hochverrätern und Galgenbäumen“ der brillanten niederösterreichischen Autorin C. Gina Riot!
Kleiner Disclaimer: Das Buch, über das wir heute sprechen, ist der erste Teil vollständig im Buchhandel erwerbbaren Dilogie. Sämtliche Bewertungen und in der Rezension behandelten Aspekte beziehen sich lediglich auf diesen ersten Band!
Abschnitt 1: Setting und Stil
Die Tribüne für die Handlung bildet eine fiktive Fantasywelt, genannt ‚die Erdenwelt‘ und insbesondere das darauf befindliche Reich ‚Andoulous‘. Die Stimmung und Atmosphäre sind sehr mittelalterlich, einerseits durch die gewählte Sprache, jedoch auch durch den sorgfältigen Aufbau einer verhältnismäßig derben, damit aber für die Epoche unglaublich immersiven und glaubwürdigen Szenerie.
Als Leser wird man von der ersten Seite an in diese Welt hineingezogen, findet schnell (nicht zuletzt durch den grandiosen Humor der Autorin) einen Zugang zu den Protagonisten, allen voran den beiden Schlitzohren Tax (<- mein persönlicher Lieblingscharakter) und Luic.
Welt und Handlung werden an vielen Stellen etwas überspitzt, was aber stets sehr geschickt umgesetzt wird und das Buch um sehr viel Humor bereichert. Man merkt gut, dass die Autorin sich hier ein wenig von den düsteren Themen ihrer sonstigen Bücher ablöst und eine emotional leichtere, wenngleich wahnsinnig hochwertige und intellektuell durchaus stimulierende Geschichte erzählt, die auch vielerorts subtil wichtige Themen der realen Gesellschaft aufgreift und satirisch umsetzt.
Abgesehen davon sei erwähnt, dass der Humor des Buches ebenfalls mit scharfzüngigem Sarkasmus glänzt, der sich insbesondere in den Gesprächen zwischen Luic und Tax, sowie in den ehelichen Unterredungen des Königspaars Lo’randre und Rogen bemerkbar macht, und mich immer wieder zum Grinsen brachte. Mindestens. (Die Leute, die den laut im Ruheraum der Reha-Einrichtung loslachenden Vollhorst erlebt haben, wissen, wovon ich rede! ^^)
An vielen Stellen weist der Humor auch eine starke sexuelle Konnotation auf, die eine fortlaufende Gratwanderung auf der Grenze zwischen Feinsinnigkeit und Cringe darstellt, wobei diese Grenze – und das ist eine beachtliche Leistung – aus meiner Sicht kein einziges Mal übertreten wurde. Im Gegenteil: Die Autorin spielt diesen Effekt gekonnt aus und setzt dafür effektive Trigger für die gesamte umgebende Stimmung und Atmosphäre.
Normalerweise kommt an dieser Stelle jetzt meine Motzsequenz – leider muss ich euch dahingehend aber enttäuschen. Tatsächlich konnte ich in diesem Buch keine nennenswerten Schwächen finden. Was schon an sich eine wirkliche Spitzenleistung ist.
Eine letzte allgemeine Anmerkung möchte ich aber zum Schreibstil hinterlassen: C. Gina Riot benutzt einen geradezu wahnwitzig vielseitigen und hochwertigen Wortschatz, größtenteils ist das Buch dennoch einwandfrei zu lesen und insbesondere aus künstlerischer bzw. literarischer Sicht ein wirkliches Prachtstück, es könnte aber sein, dass der Text für einige Leser stellenweise überfordernd oder zu komplex sein könnte. Jeder Käufer des Buches sollte sich vorab darüber im Klaren sein, dass er es bei „Von Hochverrätern und Galgenbäumen“ nicht mit einem fluffigen Alltagsbuch zu tun hat, sondern vielmehr mit einer Perle der Schreibkunst.
Abschnitt 2: Handlung
Wie immer gilt bei mir der Vorsatz, Story-Spoiler möglichst zu vermeiden, ich denke aber so viel darf gesagt werden: „Von Hochverrätern und Galgenbäumen“ erzählt in der Haupthandlung die Geschichte zweier ebenso ungleicher, wie eigenwilliger Reisegefährten, die mit einem mehr oder minder durch Zufall an sie gelangten Auftrag in das Reich Andalous ziehen und dort ein ziemliches Chaos anrichten.
Es gibt jedoch mehrere Nebenstränge, welche in eigenen Kapiteln parallel zum Hauptfaden erzählt werden. Hier seien insbesondere die Eskapaden und Entscheidungsfindungen des Königspaares Lo’randre und Rogen genannt, sowie kurze Ausschnitte aus der Reise des Königs von Thal – Eduard Vitt von Vedrunstal.
Trotz der Aufteilung in einzelne Stränge kann man der Handlung zu jeder Zeit gut folgen – sowohl bezogen auf diese Fäden als auch auf den gesamten Plot. Angenehm fiel mir auf, dass die Handlung in jedem Abschnitt und jedem Kapitel sinnvoll vorangetrieben wird und es keine reinen Expositionsabschnitte gibt.
Die Geschichte bleibt interessant und jede Unterhandlung bildet klar ihre eigenen Aspekte heraus, die ihnen innerhalb der Gesamterzählung einen Mehrwert geben.
Eine „Durststrecke“ habe ich während des gesamten Werkes nicht erlebt – im Gegenteil, über den gesamten Verlauf von immerhin 503 Seiten hat „Von Hochverrätern und Galgenbäumen“ sein erzählerisches wie stilistisches Niveau beibehalten und mir viel Freude bereitet, speziell da sich schon früh eine fortlaufende und sich tatsächlich bis zum Ende hin zuspitzende Eskalation der Geschehnisse abzeichnet, die selbst den griesgrämigsten Klischee-Deutschen ein Grinsen ins Gesicht zaubern müsste.
Ich habe keine Einwände. So frustrierend es auch ist – wirklich überhaupt keine.
Abschnitt 3: Charaktere und ihre Entwicklung
"Von Hochverrätern und Galgenbäumen" beeindruckt mit einem bemerkenswerten Ensemble an Charakteren, obwohl es im Vergleich zu anderen Büchern der Autorin kleiner ausfällt. Jeder Charakter ist klar definiert, ohne unbeabsichtigte Klischees (wobei absichtliche Klischees bewusst nicht ausgeschlossen werden). Keiner von ihnen ist langweilig, unglaubwürdig oder schlecht entwickelt.
Die Autorin beweist erneut ihr Talent für Derbes und Skurriles, auch im Charaktercast. Die meisten Charaktere überraschen auf angenehme Weise und dienen nie zögern, noch einmal als perfekt integriertes komödiantisches Element aufzutreten.
Es ist wichtig anzumerken, dass ich in meiner vorherigen Rezension dieses Formats alle Charaktere des damals analysierten Buchs als "Arschgeigen" bezeichnet habe. Ich möchte gerne einen ähnlichen allgemeinen Begriff für "Von Hochverrätern und Galgenbäumen" verwenden – hier soll die feierliche Bezeichnung "Hurenböcke" lauten. Die Gründe dafür werde ich nicht verraten. Lest einfach selbst.
Nun kommen wir zum Hauptcast:
Auch die Hauptcharaktere des Buches sind äußerst vielfältig, und jeder von ihnen hat einen deutlich erkennbaren Leitfaden, der ihre Entwicklung bestimmt. Dieser Leitfaden wird konsequent bis zum Ende verfolgt, entwickelt sich organisch und nimmt keine unglaubwürdigen Abwege in andere Richtungen. Die Charaktere sind gut geschrieben, ihre Positionen und Motivationen stets verständlich.
Ein bemerkenswertes Merkmal möchte ich hier noch hervorheben: C.G. Riot ist äußerst talentiert darin, auch männliche Charaktere zu erschaffen. Oftmals haben viele Autor*innen Schwierigkeiten, Geschlechtsidentitäten jenseits ihrer eigenen zu beschreiben. Dieses Problem existiert bei C.G. Riot in keiner Weise. Auch die männlichen Charaktere sind ausgezeichnet und äußerst glaubwürdig dargestellt.
Allgemeine Produktqualität:
Da mir das Buch im eBook-Format vorliegt, entfällt die Bewertung von Haptik, Druckqualität etc.
Jedoch sei erwähnt, dass der Text fehlerfrei und flüssig ist, keine nennenswerten Wortwiederholungen zu finden sind und ihm ein qualitatives Lektorat, wie Korrektorat deutlich anzumerken sind.
Bewertung, Fazit, Kaufempfehlung:
Bewertung
Stil: 9,8/10
Der Stil von "Von Hochverrätern und Galgenbäumen" ist durchweg meisterhaft. Er zeichnet sich durch hohe Qualität und künstlerischen Wert aus. Lediglich aus dem Grund, dass der Text einen stark mittelalterlichen Flair hat und die Sprache mitunter sehr intellektuell ist, könnte er für manche Leser schwierig zu lesen sein. Daher gebe ich lachhafte 0,2 Punkte Abzug.
Handlung und Erzählung: 10/10
Die Erzählstränge von "Von Hochverrätern und Galgenbäumen" sind perfekt miteinander verwoben und bieten einen kontinuierlich abwechslungsreichen und spannenden Verlauf. Der Text ist geprägt von einem scharfsinnigen und köstlichen Humor. Es ist schwer vorstellbar, dass es noch besser sein könnte. Ich gebe daher volle Punktzahl.
Charaktere: 10/10
Haupt- und Nebencharaktere des Buches sind sehr gut ausdefiniert, vielseitig und haben eine stetig voranschreitende Entwicklungs- und Explorationskurve. Die Umsetzung ist nie unbeabsichtigt plakativ oder klischeehaft, wobei mit beidem aktiv gespielt wird, was ich auf einer humoristischen Ebene sehr genießen konnte. Auch hier kann ich nicht anders als volle 10 Punkte zu geben.
Produktqualität: 10/10
Die Qualität von Text und Sprache überzeugt durchgängig und offenbart über 503 Seiten hinweg keine Schwächen. Da mir das Buch als eBook vorlag kann ich gegenwärtig noch keine Bewertung von Einband und Druck vornehmen. Das Cover jedoch empfinde ich als äußerst passend und gelungen. Volle Punktzahl (mit genannter Einschränkung durchs Format)
Gesamtwertung: 10/10
Fazit und Kaufempfehlung
„Von Hochverrätern und Galgenbäumen“ war eine exquisite Reise in eine andere Welt – eine Welt des gleichzeitig derben, sowie scharfsinnigen Wortwitzes, eine Welt der Kontraste. Tatsächlich hat es dieses Buch geschafft, mich nicht nur zu überzeugen, sondern sich auf den beachtenswerten Platz 2 meines Siegertreppchens der Fantasybücher zu stellen (und zwar allgemein, nicht mit Einschränkung „nur Self-Publisher“ oder „mir bekannte Autoren“). Damit nimmt „Von Hochverrätern und Galgenbäumen“ direkt neben „Der Name des Windes“ von Patrick Rothfuss Platz – ein Buch, das, wie manche von euch wissen, einen erheblichen Stellenwert in meinem Leben hat. Das ist das größte Kompliment, was ich einer Autorin oder ihrem Werk geben könnte. Chapeau!
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