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Rezension zu "Nephilim - Der Schwur" von Izzy Kramer



Vorwort



Über die letzten zwei Tage bin ich endlich mal dazu gekommen, das wunderbare Nephilim der noch wunderbareren Izzy Kramer (@Izzy_schreibt) zu lesen und möchte nun gern, wie so oft, meinen Senf dazugeben.


Da ich ein entgegen meiner sonstigen Persönlichkeit ein großer Fan von Struktur in Texten bin, möchte ich die folgende Rezension gern in mehrere Bereiche gliedern, die ich unabhängig voneinander behandeln und erläutern werde. Hinsichtlich Spoilern kann ich hier schon einmal Entwarnung geben – ich werde darauf achten keinerlei I


nhalte oder Details der Geschichte oder der Charaktere zu erwähnen, sondern lediglich auf das Gesamtwerk oder die Qualität einzelner inhaltlicher Abschnitte eingehen.


Abschnitt 1: Setting und Stil


Die Handlung spielt sich in einer weitestgehend unserer modernen Welt entsprechenden, alternativen Realität ab und wurde, bis auf wenige Ausnahmen, in einer stark auf die Eindrücke und Gefühle des Hauptcharakters fokussierten Ich-Erzählweise geschrieben. Und genau an dieser Stelle finden wir bereits den ersten spannenden Kniff, den die Autorin mit "Nephilim" gemacht hat, denn entgegen der zumeist in diversen Vergangenheitsformen geschriebenen Standard-Fantasy, wird die Handlung dieses Buchs in knackigen, prägnanten und häufig vor Ironie und Sarkasmus nur so triefenden Sätzen in Präsens erzählt.




Zu Beginn meines Leseerlebnisses habe ich mich hiermit reichlich schwergetan, da ich als Leser mein Leben lang sehr auf Präteritum-Texte geeicht wurde. Wenn man sich jedoch einmal an diesen Stil gewöhnt hat – und schon einmal vorab: Das tut man! - dann gibt er der Autorin Möglichkeiten zur Schaffung einer dichten, und vor allem emotionsgeladenen Atmosphäre und zu einer erweiterten Charakterentwicklung, die, durch die geschickte Verwendung von taktischer Erzählung, Sinneseindrücken und inneren Monologen des Protagonisten, weit über die eines durchschnittlichen Standard-Fantasy-Werkes hinausgehen.


Insbesondere in Korrelation mit der zynischen Persönlichkeit des Protagonisten und seiner oft negativ stigmatisierenden Wahrnehmung anderer Charaktere passt der Stil, um es in einer guten, deutschen Metapher zu sagen „wie Arsch auf Eimer“.


Um Kramer und ihr Buch aber nicht nur über den grünen Klee zu loben, möchte ich auch noch ein paar wenige (und für meinen Lesegenuss nicht wirklich ins Gewicht fallende) Negativpunkte äußern:



Zum einen merkt man dem Beginn des Buchs an, dass sie Autorin noch im Begriff war, ihre eigene „Stimme“ zu finden. Während der ersten ungefähr hundert Seiten fielen mir mehrfach kleinere stilistische Unstimmigkeiten auf, speziell in den Thematiken „wo setze ich ein Komma und wo teile ich einen Satz konsequent auf“, bei den Rückblenden in die Vergangenheit, wo meiner Empfindung nach noch nicht von genug von der späteren Persönlichkeit des Protagonisten durchblitzt und – zu meiner Überraschung, da es sich ja um eine Verlagsproduktion handelt – bei Wortwiederholungen. An dieser Stelle einen lieben Gruß an das Lektorat: So etwas, werte Freunde, ist auch euer Job. Wenn man als Autor schreibt, wird man manchmal ganz automatisch und natürlich blind für einige unwesentliche, aber ins Auge springende Stil-Fehler. Sie passiert jedem Autor – egal ob Tolkien, Rowling, Rothfuss, einer Izzy Kramer oder auch mit selbst – solche Stolpersteinchen zu entdecken, das ist im Prinzip die Quintessenz dessen, wofür wir


euch benötigen ?.


Schwamm drüber. Diese Kleinigkeiten haben nicht wirklich gestört und auch haben sie der Gesamtqualität keinen wirklichen Schaden zugefügt, zumal sich der Stil deutlich sichtbar verfestigt und verfeinert und ungefähr im Bereich zwischen Seite 100 und 130 schließlich seinen Höhepunkt erreicht hat, dessen Niveau er auch bis zum bitteren Ende beibehält.


Abschnitt 2: Handlung


Der erste Band von "Nephilim" ist ein geradezu meisterhaftes Paradebeispiel, einen im Prinzip sehr simplen Plot interessant und detailliert auszuformen.


Wie im Vorwort angesprochen werde ich nichts von der Story spoilern, weswegen dieser Abschnitt kurz und oberflächlich sein wird, soviel kann ich jedoch sagen: Die Handlung beginnt mit einer relativ interessanten Grundprämisse, die in der Gegenwartserzählung direkt einmal mit einem beabsichtigten Stilbruch (auf die Tropes des Genres bzw. Settings bezogen) beginnt und die übergeordnete Metahandlung zunächst einmal für den Leser quälend banalisiert, während die Ursuppe dessen, was das Buch eigentlich erzählt und was ihren Protagonisten ausmacht, in viel zu kurzen, dafür aber ungemein interessanten Flashbacks abgehandelt wird. Ich möchte betonen, dass dies kein negativer Kritikpunkt ist – ganz im Gegenteil, ich bin mir sehr sicher,


dass die Autorin den Metaplot sehr gezielt verlangsamt und mager portioniert hat, um dem Leser damit ein bestimmtes Bias mitzugeben, was in der zweiten Hälfte des Buchs dann gehörig unterwandert wird – und das ist ihr sehr effektiv gelungen und verstärkt insbesondere die fantastische und über die Restriktionen unserer eigenen Lebensrealität hinauswachsende Handlung der zweiten Hälfte. Chapeau!


Abschnitt 3: Charaktere – oder wie ich sie im Falle Nephilims nenne => „Arschgeigen“


Der Cast an relevanten Charakteren ist bei "Nephilim: Der Schwur" eher klein.

Wirklich tief charakterisiert werden eigentlich nur der Hauptcharakter, eine ihm nahestehende Person aus seiner frühen Vergangenheit und zu Teilen eine dritte Person, die aber erst gegen Ende der Handlung eine wirkliche Relevanz erhält.


Das mag auf den ersten Blick blass wirken, passt aber aufgrund der sehr auf Protagonisten, der zeitgleich auch Ich-Erzähler ist, ausgelegten Erzählweise gut ins Bild, zumal dieser Charakter auch dazu neigt, seine Mitmenschen eher desinteressiert zu betrachten. Das Bild des Protagonisten, seiner Gedankenwelt, seiner Erinnerungen und seiner Wahrnehmung von Geschehnissen und Personen ist sehr konsistent, wobei sein Zynismus und sein oft beißender Sarkasmus einen sehr großen Beitrag zum Erzählfluss und Humor der Geschichte beitragen.


Ohnehin fällt auf, dass die Geschichte sehr von zynischen oder gehässigen ist hin zu offen unsympathischen Charakteren dominiert wird, was eine düstere, triste und teilweise depressive Atmosphäre entstehen lässt, die aber gut zur Erzählung und der Wa


hrnehmung des Protagonisten passt.


Bewertung, Fazit, Kaufempfehlung:


Bewertung

Stil: 7/10

Aus genannten Gründen würde ich den Stil mit 7 von 10 möglichen Punkten bewerten, wobei ich deutlich darauf hinweisen möchte, dass der Text ab Seite 130 locker für 8,5/10 Punkten gut ist.


Handlung und Erzählung: 9,5/10

Kurz gesagt: Die Erzählung selbst trifft sehr meinen Geschmack: Sie ist im Kern simpel, aber detailreich und komplex aufbereitet, Konflikte und Motivationen sind stets klar erkennbar und sie hat einen guten Fluss, der bis zum Ende konsistent und glaubwürdig bleibt.


Charaktere: 8/10

Mit der Einschränkung, dass Nebencharaktere etwas zu blass bleiben, was ich in diesem konkreten Fall aber nicht negativ bewerte, da es zu der Erzählung passt, die sich ohnehin sehr stark auf den Protagonisten konzentriert.


Gesamtwertung: 8,5/10




Fazit und Kaufempfehlung

Ich habe Nephilim als sehr angenehm zu lesende und kurzweilige Geschichte empfunden, die sich trotz kleiner Mängel nicht hinter anderen Genrevertretern verstecken muss. Insbesondere für die Tatsache, dass es sich um einen Debütroman handelt, ist Nephilim eine absolut solide Geschichte und kann aus meiner Sicht bedenkenlos sowohl von Fans des Genres als auch Mainstream-Lesern gekauft und konsumiert werden.







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